Eigentlich war das Jahr 2020 schon verplant, die Termine festgelegt, die Flyer gedruckt. Das Poetische Theater war zurück aus der Winterpause und wieder auf der Bühne, respektive im Museum. Die Wiederaufnahme der „Schäferspiele“ Anfang März fand ein begeistertes Publikum und eine lobende Besprechung in den Nürnberger Nachrichten, an deren Ende noch auf die weiteren Aufführungstermine hingewiesen wurde.
Und dann kam bekanntermaßen alles anders…
Die Zeit der Ausgangsbeschränkungen begann. Für mich eine Zeit der bangen Unsicherheit, eine Zeit mit ungesund viel Freizeit und ausgedehnten Spaziergängen, auf denen ich mir immer wieder die Frage stellte: Wie gehe ich mit der Situation am besten um? Was soll, was kann ich überhaupt dazu sagen? Und was fangen andere Menschen mit Wagenladungen voll Klopapier an?
Das Thema Corona war (und ist) so überwältigend, alles beherrschend, dass mich allein die Vorstellung, es literarisch anzugehen lähmte. Jedes Wort dazu könnte sich schon morgen gegen einen selbst kehren oder für zu leicht befunden werden. An Theater war ohnehin nicht mehr zu denken.
Am Ende siegte dann doch der Wille zur Selbstbehauptung über die Schreibblockade. Trotz aller Einschränkungen gelang es dem Poetischen Theater ein Videoprojekt zu realisieren. Ein langes langes Frühlingserwachen, ein Lebenszeichen. Es ist gewiss nicht das abschließende Wort zur Krise, aber ein erster unverfälschter Reflex, eine Sammlung von Gedanken und Träumen am Anfang…
Über ein Jahr ist seit meinem letzten Eintrag vergangen. Schande, Schande! Ich habe mich ja schon damit abgefunden, dass aus mir niemals ein Blogger wird, schon allein, weil der Druck auf meine Schreibblase nicht hoch genug ist um mich ständig erleichtern zu müssen. Nur ab und zu sollte man doch wenigstens, wenn man schon eine eigene Seite hat… Lassen wir das. Das Problem ist ein anderes, nämlich, dass sich ein guter Teil desssen, womit ich mich im letzten Jahr beschäftigt habe, nur sehr schwer beschreiben und noch weniger zeigen lässt. Aber der Reihe nach.
Im Frühjahr und Sommer 2018 waren wir damit beschäftigt, Texte für die Wundersamen Wandlungen zu verfassen und diese unter den wachsamen Augen und Ohren von Holger Münch in seinem Fürther Studio aufzunehmen. Im September konnten wir dann endlich das Ergebnis unsere Mühen einer staunenden Weltöffentlichkeit präsentieren.
Aha, wird sich jetzt manch einer denken, „Wundersame Wandlungen“, das hat doch bestimmt etwas mit dem Poetischen Theater zu tun. Richtig, nur handelt es sich diesmal um Poetisches Theater digital. Aha! Quasi ein interaktives Hörspiel im Garten des Museum Tucherschloss. Audioguide kann ja jeder, wir haben eindeutig die besseren Texte und dazu noch diese coole von Michael Markert entwickelte App. Aha? Also, das ganze läuft so ab: Besucher des Tucherschlosses laden sich zunächst die (bisher nur für iOs erhältliche) App herunter, stöpseln sich Kopfhörer in die Ohren und können sich dann im reizenden Renaissancegarten ergehen. Die App bestimmt via GPS die Position der Besucher und sobald sie sich einer Klangwolke (dabei kann es sich um eine Spielszene, Musik oder Hintergrundgeräusche handeln) nähern, deren Position vorher festgelegt wurde, wird diese eingespielt. Der Clou dabei ist, dass die Besucher nicht nur hören, wo sich die Klangwolke im Verhältnis zu ihnen befindet, sondern dass sich auch beliebig viele Klangwolken überlagern können, wodurch der Eindruck entsteht, sich inmitten des Treibens eines barocken Gartenfestes aufzuhalten. Und nachdem die Wundersamen Wandlungen keiner lineraren Handlung folgen, erlebt jeder Besucher ein eigenes Hörspiel, entsprechend seines Weges durch den Garten. AHA?!! Kompliziert, ich sagte es ja. Und so oft ich auch versucht habe, anderen Leuten zu erklären, was es mit den Wundersamen Wandlungen auf sich hat, ich kam immer wieder an den Punkt, an dem ich merkte, dass mein Gegenüber sich schon längst geistig verabschiedet hatte.
Im Januar 2019 allerdings bekam ich eine unerwartete Hilfestellung. Die netten Menschen von FrankenSein haben einen Beitrag über die Wundersamen Wandlungen produziert, den ich an dieser Stelle gerne teile.
Alles klar soweit? Noch immer Unentschlossene finden hier ein paar weitere akkustische Appetithappen.
Damit aber noch nicht genug. Am Sonntag, den 21. Juli präsentiert das Poetische Theater erstmals Szenen aus den Wandlungen live. Warum das ganze? Weil eine richtige App auch ein Update braucht. Tatsächlich haben wir vor kurzem weitere Szenen produziert, die nun in die App eingepflegt werden. Wenn das kein Grund zum Feiern ist.
Im Herbst anno 17 war ’s, als das Poetische Theater vom Kohlenklau & anderen Kellerkindern erzählte. Aber vielleicht ist diese Mär ja zeitlos, wie so viele andere auch.
Bilder, Bilder, Bilder in Farbe und bunt, stumm und vertont. Lyrik sprechen entspricht nicht immer lyrischem Sprechen. Die Schauspieler des Poetischen Theaters zeigen mit ihrer Sprach-Performance wie Unsagbares inszeniert werden kann. Sie befreien Texte aus zwei Jahrhunderten aus ihren Käfigen und Sprachgittern und lassen sie über die Köpfe des Publikums fliegen.
WAND
wand wand wand
Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch
Freiheit - ich will dich - aufrauhen mit Schmirgelpapier
keiner winkt, warum soll einer winken?
waldmann sagt: wir wollen das beenden
Arbeit, Arbeit, Arbeit
Und das war nochmal wann genau? Ach, ja, am 13. August beim Literaturfest WortWärts. Wer gepflegte Clubatmosphäre einem verregneten Open Air vorzieht, darf sich schon einmal auf den 14. September freuen. Da findet das ganze noch einmal in der Weinerei statt. Diesmal sogar mit Publikumsbeteiligung – Eintritt auf eigene Gefahr.